Aus der Traum. Folge Vier - Wir stehen wirklich erst am Beginn
Ich denke manchmal: ich ließe mich zehn Klafter unter der Erde in einen Kerker einsperren, zu dem kein Licht mehr dringt, wenn ich dafür erführe, was das ist: Licht. Und das Schlimmste: Was ich weiß, muss ich weitersagen. Wie ein Liebender, wie ein Betrunkener, wie ein Verräter. Es ist ganz und gar ein Laster und führt ins Unglück. Wie lange werde ich es in den Ofen hineinschreien können - das ist die Frage. (Bertolt Brecht, Leben des Galilei)
Weißt du, manchmal habe ich das Gefühl, dass das nur jemand verstehen kann, der wenigstens einmal in seinem Leben eine längere Zeit jeden Abend mit dem Wissen schlafen gegangen ist, dass diese Gipfel auch beim Aufwachen am nächsten Tag noch da sein würden. Jemand, der wie wir damit aufgewachsen ist. Jemand, der sich nicht irgendwann da hineinverliebt hat. Die Zugereisten in unserer Gegend müssen uns beinah zwangsläufig immer nur leid tun. Weil sie nie das empfinden werden, was wir empfinden. Mit diesem Wissen knien wir vor der offenen Ofentür und schreien uns die Seele aus dem Leib, aber es hört uns niemand. Es versengt uns die Wimpern und rötet unsere Gesichter, aber es sieht uns niemand. Wenn wir Glück haben, kommt einer her, dem die Schönheit des Knisterns und Knackens verbrennender Fichtenscheite mehr bedeutet als denen, die sich mit Popcorn und viel zu süßer Limonade in den ultrabequemen Sesseln der Imaxkinos breitmachen. Aber das wissen wir, du und ich, dass selbst dieses Glück uns meistens verwehrt bleibt.
Ist das nun schlimm, dass wir so alleine sind mit alldem, so ganz und gar verlassen? Königsberg ist weit weg und es ist wohl nicht fair, jetzt einfach den Finger auf der Landkarte dorthin zu legen, aber was dieser Mann gesagt hat vor so vielen Jahren, dass Begegnung zwangsläufig ist, weil wir es im Falle unserer Erde nun einmal mit einer Kugel zu tun haben, das macht es schlimm, also für mich macht es das schlimm. Weil sie uns nicht nur allein lassen. Sie legen uns an eine Leine, die sich zuerst gar nicht anfühlt wie das Stachelhalsband, das sie in Wahrheit ist. Dunkelroter Samt und ein Leder, so geschmeidig und weich, dass wir uns beinah gerne ausführen lassen morgens und abends. Und sie deuten auf den Horizont und sagen "Sieh nur, wie schön die Erdscheibe ist". Tag für Tag sagen sie uns das und schleifen uns durch eine Kulisse, von der sie jede Erhebung getilgt haben. Damit wir nirgendwo hinaufsteigen und erfahren, was unserer Beine Kraft bewirken kann. Wir sollen von ganz oben nicht sehen können, dass dieser Horizont sich zu beiden Seiten unseres Blickwinkels krümmt, ganz sanft nur krümmt, aber unverbrüchlich.
Dass wir sie nicht hassen können liegt nur an uns, nicht an ihnen. Und ja, zuweilen schätzen wir sogar diesen Weg durch die Ebene, mögen die ereignislose Wanderschaft richtig gut leiden, weil sie unsere Sehnsucht verdünnt. Wir wissen doch, dass wir das nicht ewig können, uns verzehren nach Aufstiegen, die uns den Schweiß in Bächen den Rücken hinunter treiben, nach den Steinen, die wir ab und an lostreten und die wir mit Wehmut im Herzen dabei betrachten, wie sie das tun, was ihnen die Schwerkraft mit soviel Leichtigkeit erlaubt . Wenn wir ehrlich sind, sind wir fast ein bisschen froh darüber, das Halsband zu tragen. Es behütet uns vor uns selbst und vor dem, was zuzulassen wir uns nicht getrauen.
Was sollen wir uns wünschen? Sind nicht die Kiesel in den wilden und eiskalten Bächen dort, wo wir wirklich hingehören, auch wunderschön? Vielleicht dürfen wir das ja, uns in Gedanken auch in so ein Wasser hineinlegen und die Ebene an uns vorüberziehen lassen? Unserem Inneren erlauben, dass es seinen Kopf aus dem Halsband windet und zusehen, wie wir selbst bald ganz rund und weich werden? Gestatten, dass uns jemand gefunden hat und wir jetzt zuhause auf einer Fensterbank liegen, von der man uns hin und wieder herunternimmt und abstaubt, ohne dass wir uns wirklich berührt fühlen?
Weißt du, manchmal habe ich das Gefühl, dass das nur jemand verstehen kann, der wenigstens einmal in seinem Leben eine längere Zeit jeden Abend mit dem Wissen schlafen gegangen ist, dass diese Gipfel auch beim Aufwachen am nächsten Tag noch da sein würden. Jemand, der wie wir damit aufgewachsen ist. Jemand, der sich nicht irgendwann da hineinverliebt hat. Die Zugereisten in unserer Gegend müssen uns beinah zwangsläufig immer nur leid tun. Weil sie nie das empfinden werden, was wir empfinden. Mit diesem Wissen knien wir vor der offenen Ofentür und schreien uns die Seele aus dem Leib, aber es hört uns niemand. Es versengt uns die Wimpern und rötet unsere Gesichter, aber es sieht uns niemand. Wenn wir Glück haben, kommt einer her, dem die Schönheit des Knisterns und Knackens verbrennender Fichtenscheite mehr bedeutet als denen, die sich mit Popcorn und viel zu süßer Limonade in den ultrabequemen Sesseln der Imaxkinos breitmachen. Aber das wissen wir, du und ich, dass selbst dieses Glück uns meistens verwehrt bleibt.
Ist das nun schlimm, dass wir so alleine sind mit alldem, so ganz und gar verlassen? Königsberg ist weit weg und es ist wohl nicht fair, jetzt einfach den Finger auf der Landkarte dorthin zu legen, aber was dieser Mann gesagt hat vor so vielen Jahren, dass Begegnung zwangsläufig ist, weil wir es im Falle unserer Erde nun einmal mit einer Kugel zu tun haben, das macht es schlimm, also für mich macht es das schlimm. Weil sie uns nicht nur allein lassen. Sie legen uns an eine Leine, die sich zuerst gar nicht anfühlt wie das Stachelhalsband, das sie in Wahrheit ist. Dunkelroter Samt und ein Leder, so geschmeidig und weich, dass wir uns beinah gerne ausführen lassen morgens und abends. Und sie deuten auf den Horizont und sagen "Sieh nur, wie schön die Erdscheibe ist". Tag für Tag sagen sie uns das und schleifen uns durch eine Kulisse, von der sie jede Erhebung getilgt haben. Damit wir nirgendwo hinaufsteigen und erfahren, was unserer Beine Kraft bewirken kann. Wir sollen von ganz oben nicht sehen können, dass dieser Horizont sich zu beiden Seiten unseres Blickwinkels krümmt, ganz sanft nur krümmt, aber unverbrüchlich.
Dass wir sie nicht hassen können liegt nur an uns, nicht an ihnen. Und ja, zuweilen schätzen wir sogar diesen Weg durch die Ebene, mögen die ereignislose Wanderschaft richtig gut leiden, weil sie unsere Sehnsucht verdünnt. Wir wissen doch, dass wir das nicht ewig können, uns verzehren nach Aufstiegen, die uns den Schweiß in Bächen den Rücken hinunter treiben, nach den Steinen, die wir ab und an lostreten und die wir mit Wehmut im Herzen dabei betrachten, wie sie das tun, was ihnen die Schwerkraft mit soviel Leichtigkeit erlaubt . Wenn wir ehrlich sind, sind wir fast ein bisschen froh darüber, das Halsband zu tragen. Es behütet uns vor uns selbst und vor dem, was zuzulassen wir uns nicht getrauen.
Was sollen wir uns wünschen? Sind nicht die Kiesel in den wilden und eiskalten Bächen dort, wo wir wirklich hingehören, auch wunderschön? Vielleicht dürfen wir das ja, uns in Gedanken auch in so ein Wasser hineinlegen und die Ebene an uns vorüberziehen lassen? Unserem Inneren erlauben, dass es seinen Kopf aus dem Halsband windet und zusehen, wie wir selbst bald ganz rund und weich werden? Gestatten, dass uns jemand gefunden hat und wir jetzt zuhause auf einer Fensterbank liegen, von der man uns hin und wieder herunternimmt und abstaubt, ohne dass wir uns wirklich berührt fühlen?
rationalstürmer - 19. Jul, 11:12