Sonntag, 1. Oktober 2006

Manchmal wünschte ich, dieser Quatsch wär schon vorbei

Die Wörter waren nicht ohne einen gewissen düsteren Charme: "Ein verkrachter Typ." Man stellte sich schöne Katastrophen vor, Selbstmord, Auflehnung, andere extreme Ausgänge. Aber die Vorstellung kam schnell wieder: das war nicht so, überhaupt nicht so; es handelte sich um ein stilles und bescheidenes kleines Elend, es war keine Rede von Verzweiflung, im Gegenteil, es war eher bequem. (Jean-Paul Sartre, Zeit der Reife)

ceci-ne-pas-ma-vie

Einen Schnitt machen. Sauber soll er sein. Das Messer gut gewetzt und nochmal in Schnaps getaucht vorher. Das Serum gegen den Wundstarrkrampf ist lange schon aus dem Blut verschwunden. Und für einmal Praxisgebühr bekommt man schließlich beinah einen Kasten Bier, da ist eine Entscheidung schnell gefallen. Überhaupt, Entscheidungen. Endlich mal nicht nur welche treffen, sondern auch anpacken, jetzt, wo man dieses wunderbare neue Wort gelernt hat - Velleïtät. Und wie man das auf einmal hasst, dieses kraftlose Wollen. Wie man hinunterschaut auf all die betäubten kleinen Willen.

Wenn die Angst vorbei ist, weggesoffen, schon vormittags um zehn, in bald dreißig Metern Höhe, dann spielt es keine Rolle mehr, welches von den vielen nun das falsche Leben ist. Oder welches davon einem nun wirklich selber gehört und welches man sich nur geliehen hat. Oder einem anderen Menschen gestohlen, heimlich und leise, während er brav jeden Tag zur Arbeit gegangen ist und jeden Abend brav nach Hause kam und an nichts Böses dachte. Und wie gutgläubig man jeden Morgen in so ein Leben hineingeschlüpft ist, frisch geduscht, soll ja niemand riechen, wer da sonst noch so mitmischt. Fein zusammengelegt und mit der Hand noch einmal glatt gestrichen hat man es allabendlich und säuberlich über den Stuhl gelegt, und frühmorgens, nachdem der Dreck und die Tränen der Nacht aus den Augen gewischt sind und die nassen Haare langsam trocknen, hat man es wieder vom Stuhl genommen und ist damit in den Tag spaziert.

Jetzt braucht man das nicht mehr, jetzt passt das eigene Leben wieder. Jetzt tut es auch das letzte Paar alte Jeans und das olivgrüne Hemd, von dessen Ärmeln man schnell noch die beiden Fahnen abtrennt, bevor es losgeht. Sicherheitsschuhe sind wichtig und Handschuhe. Weil man lernt schnell, dass es sich durchaus lohnen kann, wenn man die blutig geschlagenen Finger nicht sehen muss. Vermummungsgebot für die ersten Tage, in denen der Magen noch schwach ist und rebellisch zuckt, wenn das Zahneisen ins Fleisch fährt und der Schmerz langsam nachgelassen hat.

Irgendwann macht man dann mit und trägt den Biervorrat im Mörteleimer zurück auf das Gesims vor der Kirchturmuhr. Alle Viertelstunde muss der Schluck ein besonders großer sein, weil man sich einfach nicht daran gewöhnt, dass die Höllenmaschine hinter der Sandsteinmauer dem kleingläubigen Völkchen, das sich morgens um sieben schon zur Andacht versammelt, die Stündchen schlägt. In solchen Augenblicken lernt man das Fluchen. Ungeheuerliche Kanonaden, mit denen man das geweihte Monstrum aus Bronze zurückbellen will in sein taubenverschissenes Verlies.

Freitag, 29. September 2006

Herbstleidchose

Die Leute im Land haben zurzeit scheinbar gewaltig was an der Waffel. Das Merkelchen faselt beim Kichermonster Illner vor laufenden Kameras was davon, dass sie die Scheffin wär´ und anscheinend manche in ihrem schwarzroten Depperlverein das noch nicht kapiert hätten. Dann machen die mindestens so geldgierigen wie peinlichen Halbkönner vom Wittelsbacherplatz mal wieder ernst mit Siemens bescheißt Siemens, und zu guter Letzt wirft ein Landgericht im Südwesten die Frage auf, ob für die Richter da unten denen ihr Provinzspastenclaim nicht langsam mal umgeschrieben werden müsste in Mir könnet alles, außer denke.

Gehts noch?

Donnerstag, 28. September 2006

...

Ensdorf

Jeden Tag diese Visage. Jeden Tag entweder mit dem Baustellen-Aufzug oder zu Fuß das Gerüst hoch. Eine Kirchturmuhr ist ganz schön klein, wenn man direkt davor steht. Außen davor steht. Aber dann ist wenigstens dieses Ding nicht mehr zu sehen. Dort oben verschwimmt einem der Blick. Vor lauter Angst und diesem komischen Gefühl, dass jeder Schritt der letzte sein kann, wenn man nicht aufpasst. Wegen der grusligen Faszination, die so ein Tanz über dem Abgrund über die Magengrube in die Denkzone lenkt. Weil die Gedanken sich ändern, dort oben. Weil man sich immer wieder sagt, dass doch eigentlich gar nichts passieren kann. Man muss nur vorsichtig sein und darf nicht vergessen, wo man steht. Wo stehe ich eigentlich?

Montag, 25. September 2006

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Hofftraum

Wenn ich nicht manchmal beim Arbeiten auf solche Schilderbilder träfe oder wenn nicht manchmal beim Arbeiten solche Schilderbilder auf mich träfen, ich müsste den Platz hier im Augenblick glatt leer lassen.

Samstag, 23. September 2006

Werbeunterbrechung: Da Binnzä

Da wead de Preissnleserschaft glei wieda recht schrein, weis nix vastengan. Drum machmas etz kurz. Binnzä, des is a Nam´. Oiso ein Name. Wobei, es is erschtns koa richtiger Nam´ net und zwoatns scho glei gar koa gewöhnlicher. Muaßa a net sei, wei der, der, dem der Nam gheat, des is a koa gewöhnlicher Kerl net.

Ich spreche von meinem Mitbewohner aus unbeschwerten Passauer Studientagen Vincent. Jajaja, liebe Leser, da geht’s doch gleich mittenrein in die Assoziationswelt, nicht wahr? Wir haben also Starry starry night im Ohr und sehen einen windumtosten Mont Ventoux in absinthbefohlenen Farben. Das klingt natürlich super. Wobei - mir wars ja seinerzeit tausendmal wichtiger, dass er mit dem Putzplan klarkommt. Und da muss ich selbst im Nachhinein noch sagen: Reschpekt! Während ich nämlich seinen Mitbewohnernachfolger (den Namen lass ich jetzt mal weg, der Mann hats mittlerweile in der Hedgefondsbranche zu etwas gebracht und würde mich sicher ohne Wimpernzucken von seinen Anwälten totmachen lassen) buchstäblich dazu treten musste, die Badewanne zu putzen („A Badewanne mussmer doch net butzn. A Badewanne macht si doch vo selber sauber.“ Sic!), war der Vincent ein 1a-Mitbewohner, der mit meinen (zugegeben ab und an etwas weibisch-xhantippischen) Vorstellungen von einer ordentlichen WG bestens klarkam. Aber ich hab nun einmal gern blank geputzte Armaturen.

Überdies war (und ich nehme mal an: ist) der Binnzä nicht nur ein sensationeller Koch, sondern dazu außerdem ein hervorragender Klarinettist. Einmal, das war zu irgendeinem Festerl bei uns, da hat er mit seinem Spezl Micha zusammen Ewigkeiten lang Landlermusi zum Besten gegeben, und man musste überhaupts kein Freund der Volksmusik sein, um angesichts dieser Darbietung geradezu vor Wonne zu zerfließen. Damit komme ich auch schon zu den Frauen: Denn, ihr Lieben: Spart euch jeglichen Gedanken an eine sofortige Kontaktaufnahme zwecks baldigem Kennenlernen, der Mann ist nämlich verheiratet. Aber ihr könnt ja aus der Ferne schmachten. Oder aber, und so langsam führt dieses Loblied zum eigentlichen Thema, ihr könnt ein Stück von ihm anschauen. Er, der immer schon den schönen Dingen zugetan war, ist nämlich Autor und Regisseur geworden. Und nun endet die Lobhudelei und beginnt eine ganz andere Wirklichkeit.

Maxhuette-1

Wenn man in Bayern groß geworden ist, dann kennt man die Maxhütte. Es würde jetzt zu weit führen, die Geschichte dieses letzten Stahlwerks im Freistaat nachzuerzählen, man kann das auch alles nachschlagen. Solange ich mich erinnern kann, ist bei uns daheim nicht nur über das Werk berichtet worden, es wurde auch darüber geredet. Viel geredet. Neuntausend Menschen haben dort einmal gearbeitet, dann viereinhalbtausend. Dann niemand mehr. Heute ist das totes Gelände. Unglaublich beeindruckend, selbst in seinem Verfall, aber tot. Und still.

Maxhuette-2

Ich hab auch mal VWL gehört. Ich weiß, wie das so ist mit Subventionen und all dem. Ich weiß auch, dass es nun mal ökonomisches Gesetz ist, dass eine Branche verschwindet und eine andere neu entsteht. Darum geht es gar nicht. Aber – und das soll niemand vergessen – die Laptopundlederhosenmärchen vom achsoerfolgreichen Bayern, mit der uns die Staatsregierung seit Jahren in einen braven Schlummer quatschen will, die locken keinen Hund mehr hinterm Ofen hervor, wenn man nach Sulzbach-Rosenberg kommt. Sulzbach-Rosenberg ist der Ort, in dem die Maxhütte sich befindet.

Maxhuette-3

Vincent ist nach Sulzbach-Rosenberg gegangen, vor zwei Jahren. Er hat ehemalige Arbeiter des Stahlwerks getroffen und mit ihnen gesprochen. Beziehungsweise: Er hat ihnen zugehört. Er hat sich sagen lassen, wie das ist, wenn die Fabrik, in die man Tag für Tag und Jahr für Jahr zum Arbeiten gegangen ist, einfach nicht mehr existiert. Er hat sich sagen lassen, wie das ist, wenn es den Job, den schon der Vater und vor ihm der Großvater gemacht haben, einfach nicht mehr gibt. Er hat sich sagen lassen, was das ist, die Stille in der Fabrik, die entstanden ist aus der Schließung des Werks und der daraus folgenden Sprachlosigkeit der Menschen vor Ort. Und dann hat Vincent einen Text von René Passet genommen und ihn dem gegenüber gestellt, was er in der Maxhütte gehört hat. René Passet ist Mitbegründer von attac und eine der Stimmen, die man vernimmt, wenn man sich mal fragt, wie die Globalisierung eigentlich so läuft. Man muss diesem Mann nicht in allem Recht geben, aber er sieht hin. Das ist schon mehr, als viele von uns (mich eingeschlossen) den lieben langen Tag unternehmen.

Maxhuette-4

Entstanden ist daraus ein Stück, das den Menschen, die mittlerweile als Busfahrer, als Hilfsarbeiter oder schlicht und einfach als Arbeitslose ihr Leben weiterführen (müssen) noch einmal eine Stimme gibt. Die Stille in der Fabrik – so auch der Titel – wird noch einmal unterbrochen und wir bekommen gezeigt, wie das so ist auf einem Planeten, auf dem die Wirtschaft regiert.

Den erhobenen Zeigefinger überlässt Vincent Kraupner dabei anderen, auch wenn er mit dem immer wieder eingeblendeten Businessplaneten Biznopolis einen zusätzlichen Boden in sein Stück eingezogen hat, der bei aller ad absurdum geführten Shareholder-Mania neben dem Lachen, das man sich in manchen Szenen beinah verkneifen muss, ein sehr unangenehmes Frösteln verursacht.

Hingehen!

Und zwar nach München in die Pasinger Fabrik (August-Exter-Str. 1, 81245 München) 27. bis 30. 09. 2006, jew. 20:00 Uhr

Oder nach Regensburg in die Projekthalle 1 am Westhafen Regensburg (Budapester Str. 15, 93055 Regenburg): 13./14./15.10 (18:00 Uhr), 18./ 22.10, (18:00 Uhr), 24.10. (20:00 Uhr)

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Die Frage nach dem Sein.

Du bist nicht angemeldet.

Die Beobachtungskamera.

Bist äigschloufm oda...
Bist äigschloufm oda wos? Iwarawal homa in easchdn...
fuxbeck - 1. Jun, 18:33
Nur zu. Immer her mit...
Nur zu. Immer her mit den Kommentaren - selbst wenns...
rationalstürmer - 2. Mär, 21:43
Das mit der Glaubwürdigkeit...
Das mit der Glaubwürdigkeit ist ja eh so eine Sache....
rationalstürmer - 2. Mär, 21:41
Ich hab einen Magen-Darm-Dings,...
Ich hab einen Magen-Darm-Dings, da ist mir ein bisserl...
rationalstürmer - 2. Mär, 21:38
Hahaha, Herr Passenger...
Hahaha, Herr Passenger ... das mit den eigenen Überzeugungen...
rationalstürmer - 2. Mär, 21:36
ja du lieber mein vater
In meiner Erregung sehe ich mich veranlasst, hier -...
Pecas - 2. Mär, 20:47
Das Interview interschien...
Das Interview interschien ja wohl zeitgleich mit der...
stilhäschen - 2. Mär, 20:12
Ach, jetzt bist du plötzlich...
Ach, jetzt bist du plötzlich wieder hier. Da kennt...
St. Burnster - 2. Mär, 20:00
Triebtäter
Forcierte Penisverlängerung (pro Demagogen-Verfassungsdisse rtations-Plagiatseite...
Pecas - 2. Mär, 07:36
Um treffend Lump geziehen...
Um treffend Lump geziehen zu werden, ist der Mann fraglos...
Fellow Passenger - 2. Mär, 01:48

Die immer müßige Suche nach weiteren Wahrheiten

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Dass ich nicht lache.

Online seit 7452 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Jun, 18:33

Die Mitschuldigen an dieser garstigen Sammlung von nachgemachtem Ausgekotzten.

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