Weil eins muss ich ja schon sagen: Wenngleich diese Tätigkeit allerbestens dafür geschaffen zu sein scheint, mich körperlich innert weniger Monate vollends ruinieren zu können (2x durchs Gerüst geknallt allein diese Woche, zudem sehr böse das Hirn angestoßen und gestern früh durch einen glücklicherweise schlagartig wieder wach machenden Schlenkerer in Richtung Leitplanke rechtzeitig vor der Kollision mit derselben bei Tempo 170 noch aufgewacht), bringt sie doch auch eine Reihe höchst erklecklicher Aspekte und Emporschreitungen auf der Bewusstseinserweiterungsleiter mit sich, die jedes Jammern oder Zetern zur blanken Undankbarkeit, ja Dummheit verkommen lassen würden. Nicht nur, dass ich inzwischen mit schier unglaublicher Lässigkeit schon am allerfrühesten Morgen locker drei Kippen zum teerschwarzen Kaffee des zu jeder Zeit um mein Wohlergehen besorgten Kollegen in meine Lungen saugen kann, nein, ich schaffe es mittlerweile auch, zu beinahe jeder Tageszeit Mengen an Alkohol in mich hineinzuschütten, angesichts derer ich noch vor nicht all zu langer Zeit hundertprozentig im Spital oder wahlweise in der Ausnüchterungszelle gelandet wäre. Damit nicht genug, versorgt mich mein Umfeld mehr oder weniger permanent mit ganz und gar großartiger Verskunst, wenn es sich nicht gerade lautstark über die Beschaffenheit der Hinterteile der ebenfalls vor Ort ansässigen Mitarbeiterinnen der Caritas-Sozialstation auslässt oder den brav jeden Morgen zur Andacht erscheinenden alten Damen das eine oder andere herzliche Grußwort hinwirft. Hier nur ein kleines Beispiel aus dem unerhört reichlichen Schatz auf das Trefflichste gedichteter Worte:
"Auf auf", sagt die Stute zum Hengst.
"Die Anderen vögeln schon längst."
Ich bin glücklich und zufrieden wie schon lange nicht mehr.
rationalstürmer - 13. Okt, 00:30
Ich war ja schon immer zu faul dazu, meinen Lebensunterhalt mit redlicher Arbeit zu bestreiten. Aus diesem Grund sind meine allerbeste Freundin und ich vor Jahren mal beim Casting zur Quizshow mit dem Weichspülerchen Pilawa angetanzt.
Genommen haben die uns zwar nicht, allerdings erhalte ich seitdem in schöner Regelmäßigkeit Einladungen zu weiteren Scheiße-TV-Format-Castings. Hingegangen bin ich da aber nie wieder, sollen sich doch andere Schwachköpfe zwischen den Werbeblöcken bundesweit zum Affen machen.
Heute war aber wieder mal was im Briefkasten, was gar nicht mal so schlecht klingt. Die Gladiatorenhändler suchen gerade "Paare, die sich auf ungewöhnlichem Weg ihre Liebe beweisen wollen."
Ich hab mich da jetzt mal beworben und meine Idee gleich mitgeschickt: Vom Kirchturm springen. Ein Bauchplatscher aufs Pflaster sähe zwar im Fernsehen sicher gar nicht mal schlecht aus, aber ich denke, in meinem Fall ist Arschbombe besser. Mal sehen, was die dazu sagen. Wenn das Team zu den Dreharbeiten kommt, sag ich vorher noch Bescheid.
PS: In diesem Beitrag verbirgt sich kein Subtext.
rationalstürmer - 11. Okt, 20:06
[...] Frei atmen macht das Leben nicht allein.
Welch Leben ist's, das an der heil'gen Stätte
Gleich einem Schatten um sein eigen Grab
Ich nur vertrauern muß? Und nenn ich das
Ein fröhlich selbstbewußtes Leben, wenn
Uns jeder Tag, vergebens hingeträumt,
Zu jenen grauen Tagen vorbereitet,
Die an dem Ufer Lethes selbstvergessend
Die Trauerschar der Abgeschiednen feiert?
Ein unnütz Leben ist ein früher Tod; [...]
(Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie auf Tauris)
(Inti-Illimani, La Exiliada del Sur)
Einmal im Monat, manchmal auch nur alle sechs Wochen, haben wir telefoniert. Ihre Stimme war über die Zeit hinweg stets dieselbe geblieben, und doch klang sie jedesmal fröhlicher, heiterer, von immer mehr Leben erfüllt. So furchtbar weit weg von dem Land, das nach Auskunft ihres Passes ihr Zuhause sein musste, schien sie gefunden zu haben, was ihr wirkliches Zuhause war. Schon während unserer gemeinsamen Zeit in dieser anderen Welt konnte man sehen, dass sie dorthin gehörte.
Als sie schließlich diesem Jungen begegnet war, offenbarte sich das auf eine Weise, die mir heute noch, Jahre später, wie ein Wunder vorkommt. Ich gebe zu, ich habe sie um die Sorglosigkeit und die Bestimmtheit beneidet, mit der sie einfach nicht mehr zurückgegangen ist in das Leben, das ihr schon mit solcher Sicherheit vorgezeichnet war. Und ich habe aufgeblickt zu ihrem grenzenlosen Mut und ihrem unverbrüchlichen Vertrauen auf das Geschenk der so ungeheuerlich nebenbei entdeckten Liebe, von dem sie mir in immer schöneren Farben erzählte. Sie hatte schlicht und einfach erkannt, dass sich ihr eine Gelegenheit geboten hatte, die nicht beim Schopf zu packen sie sich ihr Leben lang vorwerfen würde. Sie hatte, ganz zufällig, denjenigen getroffen, von dem sie einfach wusste, dass er sie glücklich machen würde, was immer auch geschehen konnte, und sie hatte keine Sekunde gezögert und war bei ihm geblieben. Dem anderen Jungen, der sich tausende Kilometer entfernt schon darauf vorbereitete, sie endlich von Flughafen abholen zu können, hatte sie das alles in einem langen Brief geschrieben, und er schien zu verstehen, dass nichts in der Welt sie zu ihm zurückbringen würde.
Irgendwann meldete sie sich nicht mehr, über Monate nicht. Die Stimme auf ihrem Anrufbeantworter war noch da, aber sie schien gegangen zu sein. Ich dachte nicht darüber nach. Sie war so, sie blieb nie lange an einem Ort, und sie kümmerte sich nicht groß um Nebensächlichkeiten wie das Besprechen ihrer Mailbox. Sie waren wohl umgezogen, irgendwann würde sie sich schon wieder melden und ihre Stimme würde sich noch glücklicher anhören, ich war mir da ganz sicher. Bis ich, lange Zeit später, mein eigener Aufenthalt in dieser anderen Welt längst schon nichts anderes als schöne Erinnerung an etwas, das einmal war, einen Anruf einem Freund in Deutschland erhielt. Sie war tot.
Als man die Krankheit in ihrem Bauch gefunden hatte, gab es für sie schon nur noch eine minimale Chance. Und die auch nur in Deutschland. Aber sie beide - so erzählte der Freund - klammerten sich mit derselben Zuversicht an diese Chance, mit der sie bis dahin ihre Liebe gelebt hatten. Der Junge bestieg zusammen mit ihr ein Flugzeug und wich keinen Augenblick lang von ihrer Seite. Sie war die einzige Angehörige, die er in dem kalten Land hatte, dessen Sprache er nicht verstand und dessen Menschen ihn nicht mochten, weil sie in ihm denjenigen sahen, der ihnen so viel Zeit mit ihr geraubt hatte. Sie schien das nicht zu kümmern. Selbst in den Phasen, in denen die Schmerzen so schlimm sein mussten, dass sie kaum noch den Weg hinausfand aus den immer dichter werdenden Morphiumnebeln, fühlte sie, dass er der Einzige war, auf den es ankam, wollte sie nichts anderes als seine weiche Hand auf ihrer blassen Stirn zu fühlen. In einem der wenigen kraftvollen Momente, die ihr der unbarmherzig wütende Tumor ließ, fragte sie ihn, ob er sie heiraten wolle, und so kam ein Priester in das neonkalte Maschinenzimmer, das sie gegen das Leben in der anderen Welt eintauschen musste, und machte vor Gottes Angesicht aus den beiden, was sie längst und unzertrennbar waren: Mann und Frau. Wenige Tage darauf starb sie. Ich werde nie vergessen, wer sie war.
rationalstürmer - 3. Okt, 10:03
Ich versuchs kurz zu machen: Nicht ohne einen gewissen Stolz, vielmehr noch aber mit ungläubigem Staunen und in aller Demut gebe ich hiermit bekannt, dass mir die große Ehre zuteil geworden ist, meine ebenso halt- wie hemmungslosen Verzapfungen in aller Öffentlichkeit einem erweiterten Publikum aufzunötigen.
In echt hab ich nicht den Hauch einer Ahnung, ob die
Organisatorinnen den Hauch einer Ahnung haben, was sie sich damit antun. Wahrscheinlich wird mich auch keine Sau verstehen, da oben im Norden. Allerdings ist mir das wurscht, weil ich werd ja ebenfalls niemand verstehen.
Fakt ist dennoch: Ich werde lesen. Öffentlich. Ich habe deswegen bereits vor Tagen mit dem Trinken angefangen. Da es irgendwie um Musik gehen soll (Thema des Abends:
Polyphonieren mit allen Vieren), scheint mir das als Mittel zur Vorbereitung probat, schließlich besteht ja der gesamte Rocknroll aus Säufern.
Zum Glück bin ich nicht alleine. Das hochkompetente und als Musiktippgeberin allzeit verlässliche
frl.fuchs wird mir ebenso beistehen und vielleicht sogar das Schwitzehändchen tätscheln wie die wunderwunderbare
Ally Klein. Zudem wird mit dem unvergleichlichen
Herrn Poodle ein Mann mit von der Partie sein, dessen formidable Durchgeknalltheit mir seit Jahr und Tag Ansporn und Mahnung zugleich ist.
Keine Angst, es gibt auch noch ein Entspannungsprogramm hernach. Wie ich erfahren habe, werden zwei
richtige Musikervereinigungen, namentlich
Willson und
Ornament ganz sicher dafür sorgen, dass man zumindest über meine Ausführungen schnell hinwegkommen wird. Partyfeiern darf man anschließend ebenfalls. So ist das nämlich.
rationalstürmer - 2. Okt, 14:12